Hessischer Bildungsserver / Schriftspracherwerb

Vokale

Vokale werden gebildet, indem der Mundraum als Resonanzraum durch unterschiedliche Zungen-, Kiefer- und Lippenstellung verändert wird.
Die Merkmale in der Bildung von Vokalen (phonematischen Parameter), wie artikulatorische Zungenstellung und Lippenrundung, werden im Vokalviereck schematisch dargestellt. Dieses Vokalviereck stellt einen Querschnitt durch die Mundhöhle dar. Die Höhe der Zungenstellung korrespondiert mit der Kieferöffnung (Lippenöffnung). Die Wölbung des Zungenrückens kann eher vorne in der Nähe der Schneidezähne (wie bei /i/) oder eher hinten (wie bei /u/) erfolgen. Als weiterer Parameter erscheint die Lippenrundung.


Abbildung: Vokalviereck in der Mundhöhle

Einige Vokale unterscheiden sich minimal von anderen. Sie stellen damit auch Lernschwierigkeiten dar bei der Entwicklung von Graphem-Phonembeziehungen von Vokalen dar. Aus dem Schema ergibt sich ein minimaler Kontrast bei:

/e/ -------- / i/
/ä/ -------- /e/

Die Zunge ist bei beiden Phonemen jeweils nach vorne gewölbt. Der Unterschied liegt in einer minimalen Differenz der Kieferöffnung.

/o/ ------- /u/
/ö/ -------- /ü/

Die Zunge ist bei beiden Phonemen hinten gewölbt. Der Unterschied liegt wieder in einer minimalen Differenz der Kieferöffnung.


/i/ -------- /ü/

Minimaler Kontrast durch die Lippenrundung bei /ü/ bei gleich bleibender Zungenstellung

Der minimale Kontrast zwischen den genannten Vokalen kann vor allem beim Schreiben, also bei der Umwandlung von Phonemen in Grapheme, zur Stolperstelle werden. Beim Lesen treten an dieser Stelle seltener Probleme auf.

Sprechübungsaufgabe:

Hier können Sie bei sich selbst feststellen, wie sich Vokale in ihrer Bildung unterscheiden. Greifen Sie mit dem Daumen unters Kinn, mit dem Zeige- und Mittelfinger an die Oberlippe und sprechen Sie die folgenden Vokalphoneme hintereinander

/a/ /i/ (maximale Differenz in der Kieferstellung)
/e/ /i/ (minimaler Kontrast in der Kieferstellung)
/o/ /u/ (minimaler Kontrast in der Kieferstellung, Lippenrundung ist gleich)

Benutzen Sie nun einen Handspiegel zur Beobachtung der Lippenrundung und sprechen Sie die Vokalphoneme hintereinander.

/i/ /ü/ (gleiche Kiefer- und Zungenstellung, Differenz in der Lippenrundung)


Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich dadurch, dass jeder Vokal kurz oder lang gesprochene werden kann. Länge und Kürze unterscheiden sich dabei weniger durch die tatsächliche Dauer, als vielmehr dadurch, dass sich die Kieferstellung und Zungenwölbung verändert und somit auch der Klang. Bei den langen Vokalen ist die Kieferstellung eher geschlossen, bei den kurzen Vokalen eher offen. Besonders schwierig ist das Phonem /e/, das neben kurzer und langer Aussprache an Anfang oder in der Wortmitte (/E/sel, /E/lefant, r/e/tten, R/e/gen) auch noch die Variation eines schwachen e-ähnlichen Lautes am Wortende (Ros/e/, Neb/e/l) hat.

Beim Schreiben müssen die Kinder daher besonders auf die Wahrnehmung und Unterscheidung der kurzen Vokalen achten wie z.B. zwischen /e/ und /i/in W/e/ste und K/i/ste, sowie auf das schwache Auslaut-e und die Endungen -el, -er und -en.

© 2005/6 AfL Ffm, Diagnostik online, Arnold Baier