Beobachtungen zum Lernen und zum Schriftspracherwerb
Soziale und emotionale Bedingungen
Ein wichtiger Motor für erfolgreiches Lernen ist die Emotionalität. Fühlt sich das Kind angenommen? Braucht es Unterstützung bei der Entwicklung von Motivation, Leistungsbereitschaft und positiver Selbsteinschätzung? Gibt es psychosoziale Bedingungen die von Seiten der Schule oder von Seiten der Eltern verbessert werden müssten?
Lehrer-Schüler-Verhältnis
In diesem Zusammenhang steht auch die Beobachtung des Lehrerverhaltens zum Kind und umgekehrt. Wie gehe ich als Lehrkraft mit den Leistungen der Kinder um? Wo bin ich hilfreich und wo verhindere ich Lernentwicklung?
Lernverhalten und die Entwicklung von Lernstrategien
Ein weiteres Beobachtungsfeld ist der Zugang der Kinder zum Lernen von Lesen und Schreiben. Sind die Kinder motiviert? Trauen sie sich etwas zu? Können sie in der Klasse oder individuell erarbeitete Lernstrategien selbstständig anwenden?
Umgang mit Schrift und Texten
Darüber hinaus ist es von Bedeutung, welchen Zugang zur Schrift, welche Bedeutung Texte oder Geschichten für Kinder haben. Hören sie gerne Geschichten zu? Greifen sie spontan zu Büchern? Nutzen sie die Klassen- oder Schulbibliothek? Schreiben sie gerne? Haben sie Schreibideen?
Vergleich mit anderen schulischen Leistungen
Die Lernentwicklung des Kindes beim Schriftspracherwerb ist stets im Zusammenhang mit der allgemeinen Lernentwicklung zu sehen und einzuschätzen. Gerade wenn ein Kind Probleme beim Schriftspracherwerb hat, ist ein Vergleich mit anderen schulischen Lernleistungen ist sinnvoll - auch unter Einbezug von Kolleginnen, die das Kind in anderen Zusammenhängen erleben. Dadurch ergibt sich u.U. eine andere Sichtweise. Neue Hypothesen über bestimmte Probleme, die das Kind beim Schriftspracherwerb hat, können entworfen werden.
Passung der Lernangebote
Lernentwicklungsbeobachtung ist ein fortlaufender Prozess, bei dem wir Hypothesen bilden, die die Arbeitsgrundlage für Unterricht und Förderung darstellen. Von ganz besonderer Bedeutung ist daher, dass unsere Beobachtungen auch kurzfristig wieder in den Unterricht zurückfließen. Wir beobachten daher nicht nur das Kind sondern auch, ob unsere Lernangebote dem Kind helfen, seine Probleme zu bewältigen.
Lernvoraussetzungen: Phonologische Bewusstheit und Sprache
Phonologische Bewusstheit und Sprache lassen sich in den verschiedenen kommunikativen Situationen im Unterricht beobachten: im Gesprächskreis, bei Unterrichtsgesprächen, bei Spielen und Übungen mit Sprache, bei Gesprächen der Kinder untereinander oder im direkten Kontakt mit dem einzelnen Kind. Weiter zeigen sich die phonologischen und sprachlichen Fähigkeiten auch beim eigenständigen Schreiben. Welche Laute kann das Kind heraushören, kann es gedehnt sprechen, kann es Wörter richtig aussprechen, kann es in Sätzen schreiben, kann es eine Geschichte schreiben usw.? Die Sinnentnahme beim Lesen gibt Aufschluss über die Sprachverarbeitung, das Sprachverständnis und den Wortschatz des Kindes. Hierzu für Sie eine Übung.
Übung:
Im Trainingsprogramm "Hören, Lauschen, Lernen" von Küspert / Schneider, 2002 sollen die Kinder Anlaute heraushören.
Lara hört bei "Sonne", "Laus", "Fuchs", alle Anlaute, bei "Dusche" ein /u/ und bei "Tiger" ein /i/,
Mario hört bei "Haus" ein /au/,
Markus hört bei den meisten Wörtern nur den Endlaut.
Welche Erklärungen könnte es geben und was würden Sie bei den Schreibungen der Kinder besonders beobachten?
Entwicklung der Kompetenzen beim Lesen, Schreiben und Rechtschreiben
Die Lernvoraussetzungen einerseits, die Entwicklungsmodelle für Lesen und Schreiben andererseits beachtend kann man im Anfangsunterricht zunächst beim eigenständigen Schreiben und dann auch bei Lesen sehen, welche Entwicklung die einzelnen Kinder nehmen. Welche Möglichkeiten es gibt, Kinderschreibungen und Lesekompetenzen einzuschätzen, finden Sie unter dem Stichwort "Analyse eigenständiges Schreiben und Analyse der Lesekompetenz". Zusätzlich erweitern und absichern können Sie Ihre Beobachtungen durch die Anwendung und Auswertung von diagnostischen Verfahren.
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