Hessischer Bildungsserver / Schriftspracherwerb

Pädagogische Diagnostik, Förderpläne und kollegiale Kooperation

Rudolf Kretschmann - Kassel, 21. 7. 2003

  1. Ausgangslage

Einige der Ergebnisse der PISA-Studie deuten darauf hin, dass es um die Diagnosekompetenz von Lehrerinnen und Lehrern an deutschen Schulen nicht zum Besten bestellt ist. Dies wird als eine der Ursachen für das schwache Abschneiden vieler Lernender in der PISA-Studie angesehen; denn wenn Lernrückstände nicht erkannt werden, kann und muss auch nichts unternommen werden, sie abzubauen. Mit der Folge, dass Defizite kumulieren und die unterrichtlichen Angebote die Lernenden nicht mehr erreichen.

Neben vielen anderen Maßnahmen soll eine verbesserte Diagnosekompetenz der Lehrkräfte zu einer Besserung bei den Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler führen. Ich habe gewisse Zweifel an der Methodik dieses Befundes. Immerhin hat die Aussage den Fokus auf einen lange Zeit zu Unrecht vernachlässigten Bestandteil pädagogischen Handelns gelenkt.

Diagnosen sind ein wichtiger Bestandteil des pädagogischen Geschehens.

  • Sie können im regulären Unterricht eingesetzt werden, um eine optimale Passung der Angebote an die Lernausgangslage von Lernenden zu erreichen.
  • Sie können als ein "Frühwarnsystem" fungieren, um rechtzeitig Vorbeugemaßnahmen für lern- und entwicklungsgefährdete Kinder- und Jugendliche bereitzustellen.
  • Sie sind unerlässlich als Mittel der Krisenintervention, wenn bereits manifeste Probleme eingetreten sind und, last, not least
  • beruhen auf Diagnosen alle Arten der Leistungsbewertung, sei es nun in Form von Ziffernbenotungen oder Lernentwicklungsberichten.
  1. Diagnostische Zugänge im Arbeitsfeld Schule

Jede Arbeit erfordert geeignetes Handwerkszeug. Und hier beginnt bereits das erste Problem. Infolge des geringen Stellenwerts der Diagnostik in der Schulpädagogik wurde von der Disziplin wenig unternommen, eigene Verfahren zu entwickeln. Statt dessen bediente man sich bei der Nachbardisziplin "Psychologie". Daher ist das, was man aus schulischer Perspektive zunächst wahrnehmen kann, über weite Strecken psychologische Diagnostik, entwickelt für psychologische Fragestellungen und für die Arbeitsfelder der Psychologie, etwa

- für Forschungszwecke, um statistisch auswertbare psychologische Zusammenhänge und Entwicklungen zu erhellen

- für die klinisch-therapeutische Praxis

- für Berufsprognosen

- für Begutachtungen, etwa Glaubwürdigkeitsgutachten oder Sorgerechtsgutachten vor Gericht.

Für Diagnosen in pädagogischen Arbeitsfeldern sind diese Verfahren nur bedingt geeignet:

  1. Die für die oben genannten Fragestellungen u.a. entwickelten Intelligenz- und Persönlichkeitstests sollen weitreichende Prognosen ermöglichen, die Bewährung eines Menschen auf möglichst vielen Gebieten dauerhaft vorhersagen. Wie ein Weitwinkelobjektiv liefern sie einen großen Bildausschnitt. Wie dieses aber versagen sie bei der Abbildung von Details, und zwar genau der Details, die für eine Förderung wichtig sind. So mag ein Intelligenztest messen, wie gut das logische Denken und die Abstraktionsfähigkeit eines Kindes entwickelt ist. Warum das gleiche Kind aber beim Problem des Zehnerüberschreitens versagt oder wie sein Zahlbegriff ausgebildet ist, darauf gibt der Test weitaus weniger Hinweise jedenfalls, als die Beobachtung des Kindes in der Lernsituation und die Rekonstruktion des bisherigen Lernverlaufs.
  2. Die Tests sollten stabile Merkmale messen. Bevorzugt werden solche Items aufgenommen, bei denen intraindividuelle Schwankungen kaum vorkommen. Dies mag dazu führen, dass der Pädagoge bei einem Kind bereits Veränderungen registriert, der Test aber infolge seines Konstruktionsprinzips eine unveränderte Merkmalsausprägung signalisiert.
  3. Während man sich in der Pädagogik einer Kind-Umfeld-Diagnostik verpflichtet fühlt, ist v.a. die an die klinische Psychologie angelehnte Diagnostik noch über weite Strecken ausschließlich personzentriert und defizitorientiert. Zudem dominieren in hohem Maße Konzepte und Beschreibungen aus klinisch-psychologischen bzw. klinisch-psychiatrischen Arbeitsfeldern, etwa bei der Beschreibung des Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms. Dies mag dazu führen, dass interpersonale Probleme (Schüler-Lehrer, Schüler-Schüler, Eltern-Kind) einseitig dem "Symptomträger" zugeschrieben werden. Ein an medizinischen Krankheitsbegriffen orientierter Begriffsgebrauch mag darüber hinaus Vorstellungen von irreversiblen Defekten nähren, deren Folgen pädagogisch nicht zu beeinflussen sind. Selbst wohlgemeinte, d.h. zum Zweck einer Förderung eingeleitete Diagnosen können unter solchen Voraussetzungen zu Stigmatisierungen führen und Kindern und Jugendlichen zum Nachteil geraten.

    Solche Konnotationen haften womöglich sogar schon dem Begriff "Diagnostik" an. Wenn wir es ernst meinen mit einer "Entpathologisierung" pädagogischer Präventions- und Interventionsmaßnahmen, müssen wir auch die Begrifflichkeiten, die wir verwenden, einer kritischen Überprüfung unterziehen und fragen, ob es zu Begriffen wie "Diagnostik", "Begutachtung" und "Therapie" in pädagogischen Arbeitsfeldern unbelastetere Alternativen gibt: etwa Termini wie "Förderbericht", "Entwicklungsplan" oder "Kompetenzeinschätzung".
  4. Auch viele der nach den Konstruktionsprinzipien psychologischer Diagnostik aufgebauten Schulleistungstests sind für die Optimierung pädagogischer Angebote nur bedingt geeignet.

- Sie sind produktorientiert, d.h. sie bilden das Lernergebnis ab und nicht den Lernprozess.

- Sie erlauben, die relative Position eines Kindes im Vergleich zu einem Kollektiv zu ermitteln, sagen aber nur bedingt aus, welche Anteile des Lerngegenstands bewältigt werden und welche nicht.

- Sie sind, bis auf wenige Ausnahmen, auf die Leistungen ausgerichtet, die ein Kind am Ende eines Schuljahres aufgebaut haben sollte und bilden nur bedingt die Lernschritte ab, die zwischen den Schuljahresenden liegen.

Psychometrische Tests können mithelfen zu entscheiden, ob ein Kind förderbedürftig ist. Ob andere oder zusätzliche Angebote zu realisieren sind als das reguläre Unterrichtsangebot. Um ein Förderkonzept für ein Kind zu entwickeln, reichen die Informationen, die sie liefern, in der Regel jedoch nicht aus. Hierzu benötigen wir eine Pädagogische Diagnostik, die sich in wesentlichen Teilen von dem unterscheidet, was die Psychologische Diagnostik entwickelt hat. U. a. werden benötigt

  1. curriculumsvalide Verfahren, d.h. Instrumente, welche den Lernfortschritt in einem Fach nicht nur punktuell und stichprobenartig, sondern kontinuierlich abbilden können. Wir benötigen z.B. Rechentests, die nicht nur aussagen, ob Denis' Rechenleistungen über oder unter dem Durchschnitt seiner Kohorte liegen, sondern Verfahren, die abbilden, ob er bereits einen Zahlbegriff ausgebildet hat, über welche elementaren Rechenoperationen er verfügt und welche Lernschritte er womöglich ausgelassen hat;
  2. prozessorientierte Verfahren, durch die sich ermitteln lässt, ob Kai überhastet operiert oder planlos, ob er erfolgszuversichtlich oder versagensängstlich ist, ob er Fehler macht, weil er sich einen falschen Algorithmus eingeprägt hat oder überhaupt noch nicht über Lösungsvorstellungen verfügt und ob seine Lernschritte automatisiert sind oder nicht,
  3. Diagnoseverfahren, um die lernbereichsspezifische Motivation eines Kindes zu ermitteln und die Gefühle, die es einem Lerngegenstand entgegenbringt. Die Begeisterung, die ein Kind für mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer aufbringt, muss nicht die gleiche sein wie die gegenüber Sprachen - und umgekehrt. Wie HELMKE und WEINERT (1997)2 zeigen, ist gerade die lernbereichsspezifische Motivation stark mit der Lernleistung in einem Fach verknüpft. Es erscheint notwendig, neben der fachlichen Förderung in Deutsch, Mathematik oder Englisch auch dafür zu sorgen, dass das Interesse am Fach geweckt und aufrecht erhalten wird und ganz besonders auch die Erfolgszuversicht, die Anforderungen auch bewältigen zu können. Wir haben mit solch einem kombinierten Vorgehen bei unseren Förderangeboten beste Erfahrungen gemacht.
  4. Wir benötigen neben der im klinisch-psychologische Bereich verbreiteten Diagnostik von Störungsbildern (manche nennen das auch Defizitdiagnostik) eine Schutzfaktorendiagnostik, um auch die Stärken eines Kindes zu erkennen und
  5. neben der noch weitgehend personzentrierten Diagnostik eine umfeldbezogene Diagnostik, um abschätzen zu können, inwieweit schädigende oder schützende Bedingungen des Umfeldes eines Kindes die Entwicklung beeinflussen und um abschätzen zu können, ob schädigende Bedingungen eliminiert und schützende aufgebaut werden können und, last, not least,
  6. ein diagnostisches Vorgehen das getragen ist von einer fairen pädagogischen Partnerschaft und nicht dazu führt, dass man in großer Zahl Lernende entmutigt und abqualifiziert.

In mehreren Forschungsprojekten der Universität Bremen waren wir bemüht, einige Lücken auf dem Gebiet der Pädagogischen Diagnostik zu schließen. Dabei entstanden u.a. folgende Kompetenzinventare, "Prozessdiagnose der Schriftsprachkompetenz in den Schuljahren 1 und 2"3 sowie "Prozessdiagnose mathematischer Kompetenzen in den Schuljahren 1 und 2"4. Bei den "Prozessdiagnosen" handelt es sich um Diagnosekompendien, also Fragen- und Aufgabensammlungen zu verschiedenen lernrelevanten Kompetenzen und Verhaltensweisen. Insgesamt gesehen besteht bei der Entwicklung pädagogischer Diagnoseverfahren ein enormer Nachholbedarf.

Aber zunächst: man benötigt nicht für alles und jedes einen Test. Die genuinen diagnostischen Zugänge von Lehrerinnen und Lehrern zu einem Kind sind

  • die Beobachtung des Kindes im pädagogischen Feld
  • die Befragung, die Metakommunikation über Lernprozesse oder schulisches Handeln "....... sage mir doch, wie du die Aufgabe gelöst hast"
  • das Gespräch über Gefühle, mit denen das Kind das schulische Lernen begleitet "Wie fühlst du dich, wenn ........"
  • das Elterngespräch, der Hausbesuch und
  • das Einholen und das Sichten von Arbeitsproben, z.B. in Form von Klassenarbeiten oder
  • das Portfolio - die Sammlung von Arbeitsergebnissen von Lernenden über einen längeren Zeitraum als eine materialisierte Entwicklungsdokumentation.

Zu praktisch tauglichen und wissenschaftlich akzeptablen Vorgehensweisen werden diese diagnostischen Zugänge, wenn sie vor dem Hintergrund gesicherter Modelle erfolgen, also theoriegeleitet sind. Ein Lehrer, eine Lehrerin kann durchaus zutreffende Beobachtungen im Unterricht durchführen, wenn sie

  • über Vorstellungen verfügt, wie Lesen, Schreiben und Rechnen sich entwickeln,
  • über die häufigsten Ursachen von LRS und Rechenstörungen informiert ist,
  • sich ein wenig in der Motivationstheorie auskennt oder
  • in der Psychologie des Lernens und Vergessens.

Je genauere Kenntnisse Lehrerinnen und Lehrer von solchen Prozessen haben, desto beobachtungssensibler werden sie und es gelingen ihnen mittels teilnehmender Beobachtung womöglich bessere Diagnosen als mit einer aufwendigen psychologischen Testbatterie.

Natürlich gibt es auch Situationen, wo ein Diagnoseverfahren hilfreich sein kann. Für Förderzwecke ist dies ein neuer Typus eines Diagnoseinstruments, das Kompetenzinventar. Es gibt verschiedne Arten von Kompetenzinventaren:

  1. Curriculumsvalide Aufgabensammlungen, anhand derer sich einschätzen lässt, welche Teilschritte eines Lehrgangs von einem Schüler bewältigt werden und welche nicht und
  2. Verhaltens- und Merkmalslisten, etwa zum Sozialverhalten, mit der pädagogische Bezugspersonen sich vergegenwärtigen können, inwieweit ein Kind über eine gewünschte oder geforderte Kompetenz verfügt, bzw. was sie selbst über die Ausprägung dieser Kompetenzen bei dem Kind wissen und vermuten.

Ich möchte exemplarisch auf zwei diagnostische Zugänge eingehen:

  • auf die von uns erarbeiteten Kompetenzinventare PDS (bitte ausformulieren!) und PDM ausformulieren ) und
  • auf das Portfolio als eine Möglichkeit der Entwicklungsdokumentation.

Portfolio und Prozessdiagnosen - zwei Beispiele Pädagogischer Diagnostik

2.1 Prozessdiagnose der Schriftsprachkompetenz in den Schuljahren 1 und 2,

Prozessdiagnose mathematischer Kompetenzen in den Schuljahren 1 und 2

Bei den "Prozessdiagnosen" handelt es sich um Diagnosekompendien,

  • Sie enthalten zum überwiegenden Teil Aufgaben zum Lernstoff der ersten beiden Schuljahre
  • Sie enthalten darüber hinaus Fragen und Beobachtungshinweisen zu lernrelevanten Verhaltensweisen und Kompetenzen, etwa zum Arbeitsverhalten, zur Mitarbeit in der Lerngruppe, oder zur lengegenstandsspezifischen Motivation.

Sie orientieren sich am Lernstoff der ersten beiden Schuljahre. Bei Lernenden mit umfangreichen Lernrückständen in einem Fach können sie jedoch auch noch in weitaus höheren Schulstufen eingesetzt werden, um festzustellen, welche elementaren Teilfertigkeiten bewältigt und welche ggf. nicht.

Prozessdiagnosen - Übersicht

Prozessdiagnose der Schiftsprachkompetenz in den Schuljahren

1 und 2 (1 Band)

Prozessdiagnose mathematischer Kompetenzen in den Schuljahren

1 und 2 (3 Bände)

Vorgaben zur Lernstandsanalyse

 

Vortest zur Aufgabensammlung

Aufgaben zur Überprüfung der Lernfortschritte beim Lesen und Schreiben

Aufgaben zur Überprüfung mathematischer Kompetenzen auf verschiedenen Repräsentationsniveaus

Vorgaben zur Ermittlung lernrelevanter Bedingungen und Hinweise zur Förderung

Fragen zur Ermittlung emotionaler Einstellungen und der Motivation zum Lesen und Schreiben

Fragen zur Ermittlung emotionaler Einstellungen und der Motivation zum Fach Mathematik

Fragen zur Ermittlung außerschulischer Erfahrungen mit Büchern, mit Schrift

Fragen zur Ermittlung des Lebensweltbezugs mathematischer Vorstellungen

Verhaltens- und Merkmalsliste zur Beurteilung

der Allgemeinentwicklung von Schulkindern

Protokollbogen zum Lernhandeln und zur Motivation

Kurzgefasste Förderhinweise zu Störungen bei der Aneignung des Schriftspracherwerbs

Kurzgefasste Förderhinweise zu Störungen bei der Aneignung mathematischer Kompetenzen

 

Die Diagnoseverfahren, die wir vorlegen, sind gedacht als

  1. eine pädagogische Diagnostik, zugeschnitten auf den Arbeitsauftrag, die Fachkompetenz und das Arbeitsfeld von Lehrerinnen und Lehrern;
  2. eine kindnahe Diagnostik, durchzuführen von Personen, die mit einem Kind täglich, oder zumindest wöchentlich beruflichen Umgang haben, also eine Förderlehrerin, ein Ambulanzlehrer, eine Klassenlehrerin;
  3. eine prozessorientierte Diagnostik, bei der nicht nur das Arbeitsergebnis interessiert, sondern auch der Arbeitsstil, die Art, wie ein Kind sich einer Aufgabe nähert und wie es sie ausführt;
  4. eine dialogische Diagnostik, bei der die Lehrerin oder der Lehrer durch Gespräche und Nachfragen auch etwas über die innere Befindlichkeit von Kindern zu erfahren trachtet und
  5. eine lernwegsbegleitende Diagnostik, bei der bei Problemkindern immer wieder einmal (mehr oder weniger intensiv) ihr aktueller pädagogischer Förderbedarf ermittelt wird.

Die Aufgabensammlungen sind keine Tests im herkömmlichen Sinn. Sie sind nicht konzipiert, um Punktwerte zu liefern. Sie sollen Einsichten liefern. Einsichten, wie ein Kind an Aufgaben herangeht. Einsichten, wie weit ein Kind auf dem Lernkontinuum gekommen ist und Erkenntnisse, welche Gefühle die Angebote und Anforderungen bei einem Kind auslösen. Sie sind gedacht für die Hand kompetenter Lehrerinnen und Lehrer, welche ihre Kinder kennen und ihre Unterrichtsfächer und in dieser Kenntnis souverän entscheiden können, welche Fragen sie welchen Kindern stellen, bzw. welche Aufgaben sie auswählen und welche sie weglassen. Denn einem Kind alle Aufgaben zu stellen, dazu ist die Sammlung zu umfangreich. Darüber hinaus erwarten wir, dass sich die Prüfverfahren mit der Zeit zu einem gewissen Grade selbst überflüssig machen: Viele der Aufgaben und Fragen sind als Denkanstöße gedacht, sein Augenmerk auf diesen oder jenen Sachverhalt zu richten. Lehrerinnen und Lehrer, die dadurch diagnostisch sensibilisiert sind, werden mit der Zeit immer mehr diagnostische Informationen beiläufig aus den täglichen pädagogischen Prozessen beziehen.

Auf drei Besonderheiten dieser Prüfverfahren möchte ich Sie aufmerksam machen.

  1. Wir protokollieren nicht nur, ob ein Kind die Anforderung bewältigt, sondern auch, welche Lösungen es anbietet, so z. B. bei den Aufgaben zum "Technischen Lesen".

Beim Technischen Lesen werden einem Kind einzeln Wortkarten vorgelegt. Bei der Auswertung werden nicht nur richtig oder falsch gelesene Wörter gezählt. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit zu registrieren, wie ein Kind an eine Aufgabe herangeht.

Tabelle 2: Qualitative Auswertung des Untertests "Technisches Lesen"

Prüfwörter

Bein

Baum

Leine

laufen

vom Kind gelesenes Wort

 

 

 

 

liest fließend und richtig

 

 

 

 

liest langsam, lautierend oder syllabiert richtig

 

 

 

 

verbessert sich selbst

 

 

 

 

synthetisiert, aber erfasst wegen falscher Betonung die Wortbedeutung nicht

 

 

 

 

benennt einzelne Buchstaben u. versucht, den Rest zu konstruieren (raten)

 

 

 

 

benennt alle Grapheme richtig, aber synthetisiert nicht

 

 

 

 

benennt einzelne Grapheme, (sagt ev. willkürliche Wörter)

 

 

 

 

erfragt einzelne Buchstaben, liest aber nicht

 

 

 

 

gibt keine Antwort

 

 

 

 

 

 

Je nachdem, wie die Leseversuche eines Kindes ausfallen, gibt die Auswertung Hinweise, ob z.B.

- die Buchstabenkenntnis eines Kindes gefestigt werden muss,

- die Synthese automatisiert oder

- eine unzweckmäßige Lesestrategie, wie z.B. Ratelesen, durch eine zweckmäßige ersetzt werden sollte.

Ähnliche Auswertungsmöglichkeiten bieten wir zu allen Prüfaufgaben an, bei denen dies möglich ist. Die Überprüfung liefert somit nicht nur die Information, ob die Rückstände eines Kindes so groß sind, dass ein Förderbedarf besteht. Sie liefert auch Erkenntnisse, wo genau die Förderung ansetzen muss.

  1. Wir prüfen nicht nur das Arbeitsergebnis, sondern auch die Herangehensweise an die Aufgabe:

Arbeitsverhalten

 

Motivation

 

Das Kind

x?

Das Kind

x?

operiert überwiegend schnell (zügig) und planvoll;

 

nimmt die Aufgabe in Angriff und bemüht sich um eine Lösung;

 

operiert überwiegend langsam, aber gründlich und mit System;

 

bemüht sich weiter, auch wenn Schwierigkeiten auftauchen

 

operiert schnell, aber überhastet und mit wenig System;

 

gibt Lösungsversuche schnell auf;

 

operiert überwiegend langsam und planlos.

 

macht keinen Lösungsversuch.

 

Sie können sich leicht vorstellen, dass diese Informationen von äußerster Wichtigkeit sind für die Gestaltung von Förderangeboten. Sie können sich auch leicht vergegenwärtigen, dass gebräuchliche Tests, die nur die Registrierung richtiger oder falscher Lösungen zulassen, solche Informationen schlicht unterschlagen.

3. Wir sehen bei unseren diagnostischen Annäherungen das Kind nicht nur als denkenden, sondern auch als fühlenden Menschen und wir versuchen in Erfahrungen zu bringen, welche Gefühle ein Kind dem Lerngegenstand entgegenbringt.

Unsere Aufgabensammlung sieht daher einen Fragenkatalog vor, mit dem ermittelt werden soll, mit welchen Gefühlen ein Kind dem Lesen und Schreiben oder Rechnen begegnet. In der Regel wählen wir für diese Fragen sogar einen Einstieg, weil sie nicht nur wichtige diagnostische Informationen liefern, sondern es auch ermöglichen, eine Beziehung zu dem Kind herzustellen.

Die folgenden Fragen sind als ein Gesprächsleitfaden gedacht. Die Formulierungen müssen nicht wörtlich übernommen werden, sollten jedoch annäherungsweise beibehalten werden. Befragt werden sollen Kinder, die beim Lesen und Schreiben Schwierigkeiten haben. Im Zweifelsfall entscheiden Sie selbst, welche Fragen Sie einem Kind stellen wollen.

 

Protokollbogen zur Ermittlung der emotionalen Einstellung des Kindes zum Lerngegenstand

(Lesen und Schreiben)

 

Antworten des Kindes

Welche Schulfächer magst du am Liebsten?

 

Welches Fach magst du am Wenigsten?

 

Wie ist es mit Lesen und Schreiben (Deutsch)?

 

Sagst du "Lesen und Schreiben" oder sagst du

Deutschunterricht? (Im Folgenden den vom Kind bevorzugten Ausdruck verwenden!)

 

Wie kommst du mit dem Lesen und Schreiben

zurecht?

 

Was fällt dir schwer beim Lesen?

 

 

Was fällt dir schwer beim Schreiben?

 

Was fällt dir leicht?

 

Was magst du am Wenigsten?

(warum nicht?)

 

Was magst du am Liebsten?

 

Magst du lieber lesen oder magst du lieber

schreiben?

 

 

Wir erwarten dabei nicht, dass das Kind sich "richtig" zuordnet. Auch Diskrepanzen zwischen der Selbsteinschätzung und der tatsächlich erbrachten Leistung können aufschlussreich sein; einem Kind, welches seine Leistungen überschätzt wird bei der Förderung anders zu begegnen sein, als einem, welches sich unterschätzt bzw., einem, das eine realistische Vorstellung von seinen Leistungen hat. In jedem Fall handelt es sich bei der Vorgabe um einen ausgezeichneten Stimulus, um mit einem Kind über seine Probleme ins Gespräch zu kommen.

Wir erleben, dass dieser Aufgabenkomplex sehr bedeutsam für Diagnose und Förderung ist. Lehrerinnen und Lehrer berichten, sie haben durch die Antworten der Kinder eine "völlig neue Sicht" auf das Kind gewonnen und "Ich hatte bis dahin immer gedacht das Kind sei desinteressiert. Jetzt weiß ich, dass es Angst hat, zu versagen". Was Sie tun können, wenn Ihr Förderkind Angst vor dem Lesen und Schreiben hat, finden Sie in dem gleichen Kapitel in einer Kurzfassung. Und in einer Langfassung in dem Buch "Was tun bei Motivationsproblemen". Kurzgefasste Förderhinweise finden sich in dem Diagosekompendium. Ausführliche Fördervorschläge und Fördermaterialien finden sich in dem Buch v. KRETSCHMANN u. ROSE, 2000, "Was tun bei Motivationsproblemen?".

Das Diagnosekompendium "Prozessdiagnose mathematischer Kompetenzen" enthält Prüfaufgaben zum Stoff der ersten beiden Schuljahre. Im Übrigen ist es ähnlich konzipiert wie Prozessdiagnose Schrift:

  1. Wir protokollieren nicht nur, ob ein Kind die Anforderung bewältigt, sondern auch, welche Lösungen es anbietet, und fragen ggf. nach, welche Lösungswege es verfolgt.
  2. Wir prüfen nicht nur das Arbeitsergebnis, sondern registrieren auch die Herangehensweise an die Aufgabe, den Arbeitsstil.
  3. Wir sehen bei unseren diagnostischen Annäherungen das Kind nicht nur als denkenden, sondern auch als fühlenden Menschen und wir versuchen in Erfahrungen zu bringen, welche Gefühle ein Kind dem Lerngegenstand entgegenbringt.

2.2 Das Portfolio

Portfolios sind Sammlungen von zusammengestellten Belegstücken. Ein Portfolio ist z. B. die "Mappe", mit der man sich für ein Kunststudium bewirbt, oder die in einem Ordner gesammelten Arbeiten eines Journalisten für ein Vorstellungsgespräch, wobei die Praxis, eine Dokumentation von Arbeitsergebnissen vorzulegen, sich immer mehr auch in anderen Berufen durchsetzt.

In der Schule bezeichnet man damit eine Sammlung von Schülerarbeiten über einen längeren Zeitraum, d.h. für die Zeit eines Quartals, eines Halbjahrs, eines Schuljahres oder gar einer Schulstufe. Es dreht sich dabei also um "ein Sichtbarmachen von Lernspuren".

Es gibt im Bereich Schule mehrere Arten von Portfolios:

  • Work-Portfolios, bei denen die in einem Fach anfallenden Arbeitsergebnisse kontinuierlich gesammelt werden
  • Best-Practice-Portfolios, in denen die Lerneden die gelungensten Arbeiten sammeln und
  • Bewerbungsportfolios, die, wie schon der Name sagt, nach Ablauf der Schulzeit einem Arbeitgeber vorgelegt werden. Die Bewerbungsportfolios gewinnen in dem Maße an Bedeutung, wie die Bedeutung er Schulnoten sinkt.

Ein Portfolio kann enthalten

Arbeitsergebnisse, die von der Schule gefordert werden

Außerschulisch erbrachte Arbeiten zusätzlich zu den Arbeitsergebnisse, die von der Schule gefordert werden

Rückmeldungen, Beobachtungen von Lehrerinnen

Schülerreflexionen über den eigenen Lernfortschritt

z.B.

  • Geschichten und Aufsätze
  • Zusammenfassungen und Interpretationen gelesener texte
  • die schriftliche Fassung eines Referats
  • Fotodokumente
  • Präsentationen
  • Zusammenfassung einer Gruppenarbeit
  • Projektergebnisse
  • Mindmaps und Skizzen

z.B.

  • Zusammenfassung von Gespräch mit Personen außerhalb der Schule
  • Korrespondenz mit Personen und Institutionen außerhalb der Schule
  • Quellen (Inhaltsangaben und Kommentare)
  • Leselisten (Inhaltsangaben und Kommentare)
  • Internet-Recherchen (Inhaltsangaben und Kommentare)
  • Berichte über besuchte Veranstaltungen zu dem Thema

z.B.

  • Lehrerkommentare
  • Bewertungsraster
  • Evaluierungsbögen
  • Protokolle von Lehrer-Schüler-Besprechungen
  • Rückblickende Kommentierung getroffener Zielvereinbarungen

Z.B.

  • Überlegungen, die zur Auswahl der Arbeitsergebnisse geführt haben
  • Kommentierung der eigenen Arbeitsergebnisse
  • Rückblickende Kommentierung geschlossener Zielvereinbarungen
  • Formulierung von Zielen für die nächste Entwicklungsetappe

Die eher schulbezogenen "Work-Portfolios" und die "Best-Practice-Portfolios haben mehrere Funktionen, und zwar diagnostische wie pädagogische.

 

Die diagnostische Funktion besteht darin,

  • den Lehrkräften, den Eltern aber auch den Lernenden selbst den erreichten Lernstand anzuzeigen und
  • eine pädagogisch sinnvolle Grundlage für Leistungsbewertungen abzugeben.
  • Über einen längeren Zeitraum betrieben, ist es eine Entwicklungsdokumentation, die im günstigen Fall den Beteiligten die Lernfortschritte anzeigt.
  • Bei einem ungünstigen Lernverlauf lassen sich Krisenanzeichen in Form von Schwankungen oder Stagnation und Leistungsabfall erkennen und
  • Es lässt sich nachvollziehen, an welcher Stelle ein Lernprozess ins Stocken geraten ist, mithin, wo evtl. wesentliche Lernschritte nicht vollzogen oder automatisiert wurden und nachgeholt werden müssen.

Von nicht geringerem wert ist der Pädagogische Nutzen

  • Vor allem als Sammlung von Best-Practice-Arbeiten regt es die Lernenden an zur Ausbildung eines Gütebewusstseins.
  • Es regt an, Eigenverantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen.
  • Es regt an zu einer eigenständigen Auseinandersetzung mit einem Thema, da auch andere Arbeiten honoriert werden, die über die unterrichtlichen Mindestanforderungen hinaus gehen.
  • Es regt an zum Nachdenken über das eigene Arbeitsverhalten und zur Optimierung des eigenen Lernverhaltens
  • Es bietet Gelegenheit zu einer vertieften pädagogischen Kommunikation zwischen den Lernenden und der Lehrerperson, denn die Lernenden haben die Möglichkeit, das Portfolio, um eine bessere Beurteilung zu erzielen, zu ergänzen und zu modifizieren und zwar auf der Basis der Rückmeldung durch die Lehrperson.

Lehrkräfte können darüber hinaus anhand der Portfolios ihren Unterricht passend zu den Lernständen der Lernenden planen. Das gilt vor allem bei einem Wechsel der Lehrperson oder der Schulstufe. Die Lehrerin, der Lehrer kann sich anhand der Portfolios vergewissern, Welche Inhaltewie intensiv bearbeitet wurden. Er oder sie kann sich ein Bild machen, was wiederholt und verfestigt werden muss bz. was eine überflüssige Doppelung wäre. Und vor allem bilden die Portfolios eine Grundlage für die innere Differenzierung.

Die Arbeit mit einem Portfolio kann wie folgt eingeführt werden:

  • In einem ersten Schritt gibt der Lehrer, die Lehrerin vor, was in das Portfolio aufgenommen werden kann und soll und regt die Lernenden an, ihre Mappe zu bestücken.
  • In einem zweiten Schritt beraten Schüler und Lehrkraft gemeinsam die möglichen Inhalte. Und ggf. auch die Bewertungskriterien

Ein Portfolio kann wie folgt aufgebaut sein:

  1. Titelseite
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Einleitung
  4. Arbeiten und Dokumente
  5. Reflexion der im Berichtszeitraum erbrachten Leistung en
  6. Rückmeldungen und Kommentare der Lehrperson
  7. Zielsetzungen für künftiges Lernen.

Das Portfolio kann und soll u.a. auch der Leistungsbeurteilung dienen. Die Lernenden müssen dabei vorab wissen, wie ihre Leistungen beurteilt werden. Die Lehrerin sollte anhand von Beispielen die Kriterien offen legen, z. B.

  • Bewertungsstufe 1. Zu der Thematik werden Beiträge geliefert, die zutreffend und originell sind und über die schulischen Angebote hinausgehen.
  • Bewertungsstufe 2. Die im Unterricht behandelten Aspekte des Themas werden umfassend und differenziert dargestellt.
  • Bewertungsstufe 3. Die Thematik wurde zu wesentlichen Teilen zutreffend behandelt
  • Bewertungsstufe 4. Die Beiträge beschreiben das Thema umgangssprachlich bzw. sind unvollständig und fehlerhaft.
  • Bewertungsstufe 5. Das Teilthema wurde nicht bearbeitet.

Zweierlei ist bei der Arbeit mit dem Portfolio wichtig:

  • Es ist nach dem Prinzip "Klasse statt Masse" vorzugehen, d.h. den Lernenden klar zu machen, dass in erster Linie das zählt, was sie selbst kommentiert und verschriftlicht oder auf wie auch immer selbst gestaltet haben. Fremde Texte können als Belege beigefügt werden. Seitenweise Downloads aus dem Internet ohne vertiefte Kommentierung wäre demnach nichts, womit Lernende Punkte sammeln können.
  • Es sollten Möglichkeiten geschaffen werden, damit auch Lernende mit eingeschränkten Kompetenzen zu ansehnlichen Produkten gelangen können: eine Assistenz (etwa durch ältere Schüler), die Verwendung des PC.

Die Arbeit mit dem Portfolio impliziert daher ein mehrschrittiges Arbeiten:

  • Entwerfen,
  • Überarbeiten und korrigieren,
  • Gestalten,
  • Präsentieren.

Die Aufgabe der Lehrperson ist, behutsam Rückmeldung zu geben, anzuregen, zu ermutigen, Hilfestellung zu geben. Erfahrungsgemäß sich Lernende unglaublich stolz, wenn sie, was ursprünglich vielleicht ein kaum leserliches Gekritzel war, in ansehnlicher form lerleben und präsentieren können.

Im übrigen entspricht ein mehrschrittiges Vorgehen der Lebenswirklichkeit. Wir selbst bedienen uns dieser Schrittfolge, bevor wir einen Text an die Öffentlichkeit geben. Nur von Schülern wird bisher verlangt, dass sie ihre ersten entwürfe (z.B. einen Klassenaufsatz) öffentlich machen müssen.

Ich hatte eingangs die Notwendigkeit einer eigenständigen Pädagogischen Diagnostik postuliert - dieses diagnostische Vorgehen ist weit entfernt von dem, wie und was ein normativer Test an Leistungen überprüft. Es ist vielleicht nicht so eindeutig objektiv wie ein normativer Test. Es ist aber vielleicht nicht weniger gültig, denn während der Test nur ein sehr schmales Segment des Leistungsspektrums prüft, breitet sich in einem Portfolio die gesamte Leistungslandschaft aus. Es ist auch deshalb nicht weniger gültig, weil es Prozesse ermöglicht und sowohl Lehrkräfte hilft, ihre Lernangebote zu optimieren als auch den Lerneden Hilfestellungen gibt, sowohl ihre Leistungen als auch ihre Lernstrategien auf ein höheres Niveau zu bringen.

3. Das Umfeld in die Diagnose einbeziehen

Die Vorgaben in den Prozessdiagnosen zielen darauf ab, Erkenntnisse über schulisch relevante Kompetenzen und Verhaltensweisen der Kinder in Erfahrung zu bringen. Wir haben an anderer Stelle bereits ausgeführt, dass es auch von Bedeutung sein kann, sich mit dem Umfeld eines Kindes zu beschäftigen, dem schulischen und dem außerschulischen. Bei der Einschätzung des Umfelds soll in Erfahrung gebracht werden,

  • durch welche schulischen und außerschulische Bedingungen der Lernerfolg eines Kindes beeinträchtigt sein kann, aber auch
  • welche unterstützenden Bedingungen es gibt bzw. welche herbeigeführt werden können.

Tabelle 2 zeigt eine Gegenüberstellung Risiken und Schutzfaktoren im schulischen und im außerschulischen Umfeld

Man mag sich wundern, dass es bei der großen Zahl von Gefährdungspotenzialen, die sich bei einzelnen Kindern ermitteln lassen, überhaupt noch zu einem Lernerfolg kommt. Zum Glück gibt es nicht nur Risiken, sondern auch entwicklungsfördernde Bedingungen, in der Tabelle als Unterstützungspotenziale benannt. Unterstützungspotenziale sind Bedingungen im Umfeld der Person, die sich entwicklungsfördernd auswirken können.

Die Wissenschaft ist erstaunlicherweise erst sehr spät auf den Bereiche der Widerstandskräfte und Unterstützungspotenziale aufmerksam geworden. In der Fachliteratur finden sich ursprünglich die Begriffspaare "Risikofaktoren - Schutzfaktoren" bzw. "Risiko vs. Resilienz". Das englische Adjektiv "resilient" lässt sich übersetzen mit "abfedernd", "abprallend". Resilienzbedingungen sind also solche, welche Risiken abfedern oder abprallen lassen. Ich ziehe es vor, von "Gefährdungspotenzialen" und von "Unterstützungspotenzialen" zu sprechen, bzw. von "Widerstandskräften", wenn es sich um Eigenschaften oder Kompetenzen von Individuen handelt. Ich gebe dem Begriff Potenzial den Vorzug, weil er

  • zum einen etwas beschreibt, was bereits existiert,
  • zum anderen aber auch eine konditionale Interpretation zulässt, d. h. etwas bezeichnet, was sein oder herbeigeführt werden könnte, bzw. was unter bestimmten Bedingungen, etwa der Bedingung einer Bündelung von Angeboten, zur Wirkung gelangt.

Der Bedeutungsaspekt "etwas, was herbeigeführt werden könnte" wird sich als bedeutsam erweisen bei der Konzeption von Förderangeboten.

Tabelle 2: Risiken und Schutzfaktoren im Umfeld eines Kindes

 

Risiken,

Gefährdungspotenziale

Schutzfaktoren,

Unterstützungspotenziale

Außerschuli-sche,

häusliche Sozialisationsbedingungen

Materielle Unsicherheit

Beengte Wohnverhältnisse

Traumata durch Flucht, Vertreibung, Arbeitslosigkeit

- Anregungsarmes häusliches Milieu

- Illiterales Milieu

- Geringe Sprach- und Schriftsprachkompetenz der Erziehungspersonen

- geringe und eingeschränkte

- Gestörte familiale Beziehungen, Vernachlässigung des Kindes,

- Überbehütung,

- Überforderung

- Hoher Mediumkonsum

- Zugehörigkeit zu antisozialer Peer-Group

Materielle und soziale Sicherheit der Familie

anregungsreiches, ermutigendes Erziehungsklima

Ausreichend Kommunikation

- Literales Milieu

- Eigene Bücher, Vorlesen

- Begleitung des Lernprozesses durch häusliche Bezugspersonen

- Unterstützung bei den Hausaufgaben

- Nachhilfe

Schulische Sozialisationsbedingungen

und pädagogische Angebote

- Unfreundliche bauliche Gestaltung der Schule, dürftige Einrichtung und Ausstattung;

- Zu wenig Personal, zu große Klassen

- Schlechtes Schulklima, fehlende Kooperation unter den Lehrerinnen und Lehrern

- Sehr heterogene Schülerschaft

- Ablehnendes Lehrerverhalten, gestörte Schüler- Lehrer- Beziehung

- Konflikte mit Mitschülern

- Hoher Leistungsdruck

- Gleichtakt des Lernens

- Zu wenig zugestandene Lernzeit

- Fehlende Passung

- Inhaltsarme Formalangebote

- Freundliche Gestaltung der Schule (Klassenzimmer, Gebäude, Schulhof)

- Kollektives Bemühen der Lehrkräfte um eine kindgerechte Schule

- Binnendifferenzierender Unterricht in allen Fächern

- Projektunterricht

- Unterstützungssysteme für in ihrer Entwicklung gefährdete Kinder (Sprachförderung, Deutschunterricht für Kinder ausländischer Herkunft, Beratungslehrer, Stützpädagogen)

- - Erlebnis- und erfahrungsbezogene Angebote - Sorgfältige Passung der Angebote an individuelle Ausgangslagen

- Ausgiebige Bearbeitung der besonderen Schwierigkeiten des Lerngegenstands

- Ausreichende Lernzeit für alle

- Unterstützungsangebote für Kinder mit akuten Lern-problemen

- Hilfen zur Ausbildung zweckmäßiger Aneignungsstrategien

- Jahrgangsübergreifender Unterricht mit Lernzeitverlängerung

- Schule mit familienergänzenden Aufgaben, Schulsozialarbeit, Betreuungsschule, Hort

Positivwirkungen werden nach diesem Konzept als Folgen eines Bündels günstiger Bedingungen angesehen und Negativwirkungen als Folgen eines Bündels ungünstiger Einflüsse und Voraussetzungen.

Störungen, sind nach diesem Konzept zu erwarten, wenn die Menge und das Gewicht von Gefährdungspotenzialen Menge und das Gewicht der Widerstandskräfte bzw. Unterstützungspotenziale übersteigt.

Eine Verringerung von Störungen ist zu erwarten, wenn es gelingt,

  • Kompetenzen und Ressourcen der Person zu stärken
  • Gefährdungspotenziale im Umfeld zu minimieren und
  • Unterstützungspotenziale im Umfeld zu maximieren

Zur Erfassung der Umfeldbedingungen bedienen wir uns verschiedener Checklisten:

 

Kind-Umfeld-Analyse: Außerschulische Lebensbedingungen

Außerschulische Lebens- und Lernbedingungen

Eher ja

Eher nein

Bemerkungen

Die Familie lebt in wirtschaftlich gesicherten Verhältnissen

 

 

 

Die Wohnverhältnisse sind hinreichend,

das Kind hat zu Hause einen Ort, an dem es in Ruhe schulische Aufgaben erledigen kann

 

 

 

Die Familie lebt in sozial konstanten Verhältnissen

 

 

 

Das häusliche Milieu ist anregungsreich und kommunikativ

 

 

 

In der Familie wird deutsch gesprochen

 

 

 

 

Das Kind verfügt über Bücher und lernförderliches Spielzeug

 

 

 

Die Eltern / die Erziehungsperson(en) sind / ist um das körperliche und seelische Wohlergehen der Kinder bemüht

 

 

 

Das Erziehungsklima ist freundlich und zugewandt

 

 

 

Das Kind erhält Unterstützung in schulischen Angelegenheiten

 

 

 

Das Kind erhält Hausaufgabenhilfe bzw. Nachhilfe

 

 

 

Das Kind hat Freunde/Geschwister, die es ihm ermöglichen, sich sozial zu entfalten

 

 

 

Das Kind erhält außerschulische Betreuungsangebote, Hort, Spielkreis etc.

 

 

 

Das Kind erhält Anregungen durch Sport, Spielkreise, musische Angebote

 

 

 

 

Besondere Stärken des Häuslichen Milieus (Unterstützungspotenziale)

 

 

Besondere Belastungen der Familie bzw. im häuslichen Milieu (Gefährdungspotenziale)

 

 

 

 

 

Kind-Umfeld-Analyse: Schulisches Umfeld

Schulische Lebens- und Lernbedingungen

Eher ja

Eher nein

Bemerkungen

Das Kind erhält Angebote, die seinem Kompetenzniveau angepasst sind.

 

 

 

Das Kind erhält Angebote, die seinen Interessen entsprechen

 

 

 

Die Lehrerin ist um das Kind bemüht

 

 

 

Das Schüler-Lehrer-Verhältnis ist entspannt

 

 

 

Das Kind erhält besondere Förder- und Unterstützungsangebote, und zwar

 

 

 

 

Das Kind ist bei seinen Mitschülern akzeptiert

 

 

 

Das Kind hat Freunde und Gefährten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Besondere Unterstützungspotenziale im schulischen Umfeld

 

 

 

 

 

 

Besondere Gefährdungspotenziale im schulischen Umfeld

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vielleicht fällt Ihnen auf, dass alle Kategorien positiv formuliert sind. Das ist nicht ohne Grund erfolgt. Negativformulierungen erhalten leicht den Charakter der Anschuldigung und des pädagogischen Fatalismus. Fatalismus lähmt die pädagogischen Bemühungen. Anschuldigungen erschweren die Kooperation.

Die Listen sind noch nicht ganz ausgereift. Vielleicht regen Sie die Vorgaben dazu an, nach diesem Muster eigene Skalen zu entwickeln.

Was nützt es mir, wenn ich mir vergegenwärtige, wie das Kind lebt und lernt?

  1. Ich werde vielleicht darauf aufmerksam, dass dem Kind in seinem Umfeld wichtige Angebote fehlen. Ich kann dann versuchen, entsprechende Unterstützungsangebote zu organisieren.
  2. Ich kann Gefährdungspotentiale erkennen und versuchen, diese zu reduzieren; das gilt v.a. für die schulischen Gefährdungen
  3. Es kann sein, dass ich Gefährdungspotenziale erkenne, auf die ich keinen Einfluss habe. Immerhin hilft mir das, das Kind besser zu verstehen - oder die Gefährdungen durch besonders ausgelegte schulische Angebote zu kompensieren.

4. Individuelle Entwicklungspläne

Diagnoseergebnisse zu erzielen ist das eine, sie adäquat pädagogisch zu beantworten ist das andere. Diagnosen sind wertlos, mit unter sogar kontraproduktiv, wenn sie nicht dazu führen, dass Lernende besondere, an ihre Lernausgangslage angepasste Angebot erhalten. Natürlich wird man in einer Klasse mit 25 Lerneden nicht die Bedarfe jedes einzelnen Lerneden bis in die allerfeinsten Verästelungen verfolgen können. Aber sich klar zu werden:

  • welche Hilfestellungen braucht Dirk
  • welches ist der Lernstand von Natascha und welche Angebote muss sie erhalten -

das kann für Lehrer wie Schüler hilfreich sein, denn der Lernerfolg der Lernenden ist ja auch der beruflich Erfolg der Lehrenden.

Ein Hilfsmittel, diagnostische Angebote adäquat zu beantworten ist der Individuelle Entwicklungsplan. Es gibt sehr ausgefeilte Pläne für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (vgl. KRETSCHMANN u. ARNOLD 1999). Der Klassenunterricht erfordert ein vereinfachtes Verfahren.

Beispiel

Individueller Entwicklungsplan für Natascha Höfner

Unterrichtszeitraum: 2. Quartal, 6. Schuljahr 2003

Unterrichtsfach: Deutsch; Lehrerin: Frau Kopf

  • Nataschas Stärken: Natascha schreibt gerne ausführliche und differenzierte Texte
  • Besondere Schwächen: Natascha ist nachlässig und flüchtig in der Rechtschreibung. Besonders Dehnung und Doppelung sowie groß- und Kleinschreibung bereiten ihr Probleme.

Ziele für das nächste Quartal: Natascha soll lernen, Texte möglichst fehlerfrei zu erstellen.

Methoden:

  1. Mehrstufiges Vorgehen: Natascha erstellt zunächst einen Entwurf, sucht dann zunächst die Fehler, ggf. auch mit Hilfe eines Wörterbuchs. Sie erhält dann von der Lehrerin Rückmeldung, ob sie alle Fehler entdeckt hat und erstellt dann eine fehlerbereinigte Kopie, ggf. mit dem PC. Die Arbeiten werden zu einem Portfolio zusammengestellt.
  2. Natascha übt zwei mal in der Woche die o.a. Rechtschreibschwierigkeiten mit einem Lernprogramm am PC. Sie erhält leihweise eine Kopie des Lernprogramms für die Arbeit am heimischen PC.

Zielvereinbarung: Natascha erklärt sich bereit, mit sechs von ihr zu erarbeiteten Texten von wenigstens zwei Seiten Länge so zu verfahren.

Bilanzgespräche: In jeder dritten Woche führen die Lehrerin und Natascha ein Bilanzgespräch, in dem thematisiert wird, wie weit N. in ihren Bemühungen vorangekommen ist und welche Unterstützung sie ggf. benötigt. Die bis dahin erbrachten Arbeiten werden anhand des in der Schule üblichen "assessment sheet" von der Lehrerin beurteilt und von der Schülerin eingeschätzt. Natascha erhält die Gelegenheit, Arbeiten ggf. nachzubessern.

5. Vom Individuellen Entwicklungsplan zur Zielvereinbarung

Lehren ist mehr als die Interaktion zwischen einer Lehrerin und einem Kind und die Lehr-Lern-Beziehung ist kein mechanischer Vorgang. Lehren ist immer ein Hineinwirken in ein komplexes Geflecht von Beziehungen einer ganzen Reihe von handelnden Personen:

  • dem Schüler, der Schülerin, an die das Lehrangebot adressiert ist
  • der Lerngruppe, wobei zu bedenken ist, dass Gruppen anders handeln als Individuen
  • Kolleginnen, Kollegen und Schulleitung, sowie
  • Eltern und manch anderen Personen mehr.

Nur wenn alle Beteiligten die gleichen oder zumindest miteinander verinbare Ziele verfolgen, ist der Lehrtätigkeit ein Erfolg beschieden. Lehren und unterrichten ist ein vergebliches Bemühen, wenn

  • den Lernenden die Ziele nicht klar sind
  • die Lehr- und Unterrichtsziele sich nicht mit den Zielen des Individuums berühren,
  • die Lernenden womöglich gar entgegengesetzte Ziele haben, wenn es z.B. in der Klasse "cool" ist, die Leistung zu verweigern, wenn
  • Eltern zwar die schulische Entwicklung ihrer Kinder unterstützen wollen, aber nicht wissen wie oder
  • Jede Lehrkraft, die mit dem Kind zu tun hat, andere Ziele verfolgt und somit die Kollegen ihre pädagogischen Bemühungen gegenseitig konterkarieren - was keine böse Absicht sein muss, sondern schlicht eine Folge des an Schulen verbreiteten Fachegoismus und Einzelkäpfertums.

Effiziente Lehrtätigkeit erfordert Synergie und Synergie erzeugt man, indem man

  • sich über die zu verfolgenden Ziele austauscht,
  • sich auf gemeinsame Ziele einigt, je konkreter je besser,
  • die Ziele, und wer welche Tätigkeiten von wem erwartet, schriftlich festhält und sich
  • in Bilanzgesprächen vergewissert, wie konsequent die Beteiligten die Ziele verfolgen und welche Maßnahmen ggf. ergriffen werden müssen, um das Erreichen der Zeile zu ermöglichen.

Es setzt sich immer mehr durch, Zielvereinbarungen zu treffen

  • mit Schülerinnen und Schülern und mit
  • mit Eltern

Wenn in einer Klasse Kinder und Jugendliche unterrichtet werden, die besonderer pädagogischer Aufmerksamkeit bedürften, sollten auch die beteiligten Lehrkräfte darüber austauschen und schriftlich festhalten, welche Ziele sie verfolgen wollen.

Viele Probleme in Institutionen beruhen auf unausgesprochenen und divergierenden Erwartungen, fehlenden und unklaren Absprachen oder nicht hinreichend geklärten Zuständigkeiten. Dies mindert nicht nur die Qualität der zu leistenden Arbeit. Es kann auch zu atmosphärischen Verstimmungen führen, zu chronisch schlechtem Betriebsklima oder sogar zu Mobbing, kurz, zu Zuständen, wo dann "nichts mehr geht".

Dem kann man vorbeugen durch eine Verbindung von Transparenz und Verbindlichkeit, wie sie z.B. in dem Instrument der Kontrakte angestrebt wird. Durch das Kontraktieren werden die wechselseitigen Erwartungen geklärt und Arbeitsteilung als Aufgabenverteilung festgelegt.

Wie kommt man in der kollegialen Zusammenarbeit zu einem Kontrakt? Lassen sie uns von dem Fall ausgehen, dass ein Schüler auffällig geworden ist und besonderer pädagogischer Angebote bedarf.

  • In dem Fall treten die mit der Unterrichtung und der Förderung dieses Schülers betrauten Personen zu einer Hilfekonferenz zusammen oder zu einer Pädagogischen Konferenz.
  • Sie verständigen sich, welche Ziele in welchem Zeitraum erreicht werden sollen und
  • Durch welche Methoden und Maßnahmen die angestrebten Ziele erreicht werden sollen.
  • Sie klären die Zuständigkeiten und die Verbindlichkeiten.
  • Sie halten das Beratungsergebnis in Form einer schriftlichen Zielvereinbarung fest und zeichne diese Zielvereinbarung ab.
  • Die Zielvereinbarung sollte u.a. regelmäßige Bilanzgespräche vorsehen, etwa in Abständen von zwei bis vier Wochen.

Sie finden in Ihren Unterlagen ein Beispiel, wie eine Grundschullehrerin und eine Sonderschullehrerin mittels eines Kontraktes ihre Arbeitsbeziehungen regeln können.

Zielvereinbarungen und Kontrakte sind kein Allheilmittel. Sie bedürfen des guten Willens aller Beteiligten und sie sind nicht juristisch einklagbar. Aber sie machen vieles bewußt und transparent und sie sind in jedem Fall ein Fortschritt gegenüber dem Unmut, der sich aufstauen kann (und muss), wenn Kooperationsprozesse nicht geregelt sind, die Ziele nicht ausgetauscht und jeder enttäuscht ist, weil seine unausgesprochenen Erwartungen sich nicht erfüllen.

6. Fazit

Diagnosen sind ein wichtiger Bestandteil des pädagogischen Geschehens.

  • Sie können im regulären Unterricht eingesetzt werden, um eine optimale Passung der Angebote an die Lernausgangslage von Lernenden zu erreichen.
  • Sie können als ein "Frühwarnsystem" fungieren, um rechtzeitig Vorbeugemaßnahmen für lern- und entwicklungsgefährdete Kinder- und Jugendliche bereitzustellen.
  • Sie sind unerlässlich als Mittel der Krisenintervention, wenn bereits manifeste Probleme eingetreten sind.

Jedes Arbeitsfeld und jede Profession benötigt ihr eigenes Handwerkszeug. die Pädagogik verfügt über andere diagnostische Zugänge zu einem Kind als die Psychologie und für das Arbeitsfeld Schule benötigt man eigene Diagnoseverfahren. Wie solche Diagnoseverfahren beschaffen sein können habe ich versucht, an zwei Beispiel zu verdeutlichen.

Diagnosen allein werden nichts zum Besseren wenden. Es bedarf sinnvoller pädagogischer Handlungen, die auf die Diagnosen aufbauen. Man benötigt Menschen, die diese Handlungen ausführen und Lehrkräfte, die in diesem Sinne vernünftig miteinander kooperieren. Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen das zu Ihrer Zufriedenheit und zur Zufriedenheit aller gelingt.

 

 

Zielvereinbarung und Förderkontrakt (Beispiel)

Name des Kindes, das gefördert werden soll: Severin

An der Förderung beteiligte Lehrkräfte

  • Frau Rautenberg SOL
  • Frau Reeder, Grundschullehrerin,

Vorrangige Förderziele: Verbesserung der Schriftsprachkompetenz, Steigerung von Erfolgszuversicht in Bezug auf das Lesen und Schreiben

Vorläufige Dauer der Förderung: bis zum Ende des ersten Quartals

Aufgaben, die von der Sonderschullehrerin, Frau Rautenberg, übernommen werden sollen

  • Förderung von Severin in einer Kleingruppe zusammen mit drei weiteren förderbedürftigen Kindern während vier Unterrichtsstunden in der Woche
  • Assistenz und Beobachtung der förderbedürftigen Kinder (u.a. auch Severin) im Klassenunterricht während zweier Unterrichtsstunden pro Woche
  • Anbahnung und Automatisierung phonologischer Kompetenz, Analyse und Synthese durch erlebnisbezogene Lese- und Schreibangebote (evtl. anknüpfend an das Hobby "Karate")
  • Entlastende und ermutigende Hilfestellungen beim Lesen und beim Erstellen von Texten
  • Bereitstellung von Differenzierungsmaterial für den von der Grundschullehrerin betreuten Klassenunterricht.

Aufgaben, die von der Grundschullehrerin, Frau Reeder übernommen werden sollen

  • Severin erhält im Klassenunterricht Differenzierungsangebote, die seinem Kompetenzniveau entsprechen.
  • Lernerfolgskontrollen erfolgen ausschließlich in der Zweiersituation
  • Severin darf, wenn er das möchte, 1 mal in der Woche von seinem Hobby berichten.

Weitere Vereinbarungen:

GL und SOL treffen sich immer Do nach der 5. Stunde, um sich über die Erfahrungen mit den Förderkindern auszutauschen und die erforderlichen Schritte für die kommende Woche zu planen.

Bremen, den 30.9.2002, P. Reeder, K. Rautenberg

 

 

Bremer Arbeitskreis: Förderdiagnostik, Förderkonzepte und -materialien

Förderdiagnostik

  • Kretschmann, Rudolf/ Dobrindt, Yvonne/ Behring, Karin (1998) Prozessdiagnose der Schriftsprachkompetenz in den Schuljahren 1 und 2, Persen, Postfach 260, 21637 Horneburg
  • Behring, Karin/ Kretschmann, Rudolf/ Dobrindt, Yvonne (1999) Prozessdiagnose mathematischer Kompetenzen in den Schuljahren 1 und 2, 3 Bände, Persen, Postfach 260, 21637 Horneburg
  • Kretschmann, Rudolf/ Arnold, Karl-Heinz (1999) "Leitfaden für Förder- und Entwicklungspläne", in: Z. f. Heilpäd., 9, 410-420
  • Kretschmann, Rudolf (2003) "Erfordernisse und elemente einer Diagnostik-Ausbildung für Lehrerinnen und Lehrer", in: Journal für LehrerInnenbildung, 2, 9-19

Fördermaterialien

  • Kretschmann, Rudolf, Rose, Maria-Anna: Was tun bei Motivationsproblemen? Förderangebote bei Kindern mit Lernblockaden und Versagensängsten. Persen, Postfach 260, 21637 Horneburg
  • Balhorn, Heiko, Brügelmann, Hans/ Kretschmann, Rudolf/ Scheerer-Neumann, Gerheid, (1987) Regenbogen-Lesekiste. 25 Bücher und div. Übungsmaterialien für Leseanfänger, Hamburg: Verlag Pädagogischer Medien, Unnastr. 19, 20253 Hamburg

Förderkonzepte

  • Kretschmann, Rudolf (2003) "Prävention und pädagogische Intervention bei Beeinträchtigungen des Lernens", in: Grundfragen der Sonderpädagogik, Leonhardt, A., Wember, F.B., eds, Weinheim, Basel, Berlin: Beltz, 465-503
  • Kretschmann, Rudolf (2003) "Manchmal ist Rechnenlernen schwer - eine entwicklungsökologische und systemische Problemsicht", in: Rechenschwäche - Lernwege, Schwierigkeiten und Hilfen bei Dyskalkulie, , Frtz, A.,Ricken,G., Schmidt,S., eds., Weinheim, Basel, Berlin: Beltz, 179-200
  • Kretschmann, Rudolf/ Dobrindt, Yvonne (2003) "Handlungssteuernde Prozesse und ihre Bedeutung für das Rechnenlernen", in: Rechenschwäche - Lernwege, Schwierigkeiten und Hilfen bei Dyskalkulie, Fritz, A., Ricken,G., Schmidt,S., eds., Weinheim, Basel, Berlin, Beltz, 400-414
  • Kretschmann, Rudolf (1998) "Erlebnisbezogene Lese- und Schreibförderung", in: Z. f. Heilpäd., 306-321
  • Kretschmann, Rudolf/ Dobrindt, Yvonne/ Behring, Karin (1997) "Das Lernen lehren. Anleitung zum Lernen im Lebensraum Schule", in: Z.f.Heilpäd., 134-151
  • Kretschmann, Rudolf/ Elspaß, Dagmar (1992) "Lese- und Schreibförderung bei Kindern mit Versagensängsten", in: Sonderpädagogik, 1, 4-19
  • Kretschmann, Rudolf u.a.: Analphabetismus bei Jugendlichen, Stuttgart, Kohlhammer, 1990
  • Kretschmann, Rudolf (2000) "Mut machen. Differenzierte Methoden für lernschwache Schüler", in: Friedrich-Jahresheft Üben & Wiederholen; Sinn schaffen - Können entwickeln, 18, 74-78

Rückfragen und Rückmeldungen an:

Prof. Dr. Rudolf Kretschmann

Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften (12)

Universität Bremen

Postfach 330440

D-28334 Bremen

E-mail: rudolf.kretschmann@t-online.de

Weitere Informationen finden Sie unter

http://home.arcor.de/rudolf.kretschmann/