Hessischer Bildungsserver / Von der Diagnose zur Förderung

Das Portfolio

Ein Portfolio oder eine „direkte Leistungsvorlage“ (Vierlinger 1999) ist eine Art Sammelmappe; ähnlich wie im Kunstbereich werden Leistungsdokumente und selbst erstellte Produkte gesammelt. Das entstandene, von Lehrer (und Schüler selbst) bewertete Produkt wird direkt in die Mappe gelegt, d.h. der Umweg über ein Notenzeugnis, eine verbale Beurteilung etc. wird vermieden, die Leistung wird authentisch dokumentiert. Dritte (Eltern, Personalchef) kön¬nen sich dann selbst ein Bild von der Leistung machen, ihr Urteil ist dann wesentlich.

Die Vorteile des Portfolios

sind recht eindrucksvoll, insbesondere aus einem pädagogischen Blickwinkel, der die Förderung des Einzelnen in den Vordergrund rückt. Die Nachteile der Zensurengebung werden kompensiert. Das Portfolio ermöglicht eine im höchsten Maße individuelle und sachliche Bewertung, auf eine nivellierende soziale Bezugsnorm wird verzichtet. Da die Leistungsvorlage direkt erfolgt, sind sämtliche Nachteile einer rechnerischen Vereinheitlichung wie bei Punktesystemen oder Notensystemen hinfällig und damit auch die Diskussion um testtheoretische Gütekriterien. Zahlreiche Probleme bei der Leistungsbewertung werden vermieden oder vermindert: Gruppenarbeiten können als solche ausgewiesen werden, juristische Einklagbarkeit ist hinfällig, Interpretationsspielräume im Bewertungsverfahren werden verringert, der Druck auf Lehrkräfte ‚gerecht‘ zu bewerten wird vermindert, positive Ergebnisse werden honoriert.

Portfolio-Arten / Sammelprinzipien

Portfolios können sowohl fachspezifisch als auch fächerübergreifend sein.

In einem fachspezifischen Portfolio werden lediglich Produkte und Dokumente aus einem Fach gesammelt. In einem fächerübergreifenden Portfolio wählt der Schüler aus verschiedenen Fächern bestimmte Arbeiten aus. Die Arbeiten können aus mehreren Schuljahren stammen und dann gezielt für Bewerbungsgespräche aufbereitet werden. In Portfolios können also sehr unterschiedliche Leistungsdokumente und -produkte gesammelt werden. Die vielfältigen Möglichkeiten eines Portfolios dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass die Konzeption durchdacht sein muss. Felix Winter (2000) hat dazu einige hilfreiche Prinzipien formuliert, die durch Bohl (2001) ergänzt wurden:

> Das Sammelprinzip

Grundsätzlich können sehr unterschiedliche Dokumente und Produkte gesammelt werden. Diese werden zunächst in einer speziellen Mappe gesammelt.

> Das Auswahlprinzip

Schüler wählen je nach Bedarf (z.B. für eine Bewerbung) oder nach Interesse (z.B. für eine Ausstellung) aus ihrer Sammlung gezielt aus. Dies ist nicht einfach, weil die Aufmerksamkeit des Adressaten auf bestimmte Leistungen gelenkt werden soll - gleichzeitig muss die Mappe übersichtlich und nicht zu umfangreich sein.

> Das Strukturierungsprinzip

Die erstellten Dokumente stellen eine wichtige Orientierung im Lernprozess dar. Dies gilt besonders, wenn die Arbeiten in einen bestimmten Arbeitsplan mit Pflichtbereichen eingebunden sind.

> Das Bewertungsprinzip

Die Dokumente sollten durchweg kommentiert sein. Besonders sinnvoll ist es, wenn sowohl Lehrer als auch (Mit-)Schüler Leistungen kommentieren und bewerten. Der Kommentar ordnet die Lernentwicklung des Schülers ein - er ist daher für die Lernenden und für Dritte wichtig.

> Das Sorgfaltsprinzip

Die Dokumente müssen sorgfältig aufbewahrt werden - möglicherweise über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Sammlung sollte vollständig und ordentlich geführt sein.
Dies fällt Schülern zuweilen sehr schwer. Das Sorgfaltsprinzip bezieht sich auch auf wichtige Details: Deckblatt und Beschaffenheit der Mappe, Inhaltsverzeichnis, Einleitung, sorgfältiger Umgang mit den Materialien etc.

> Das Prinzip der pädagogischen Handlungseinheit

Die Leistungen und die entsprechenden Dokumentationen werden vor- und nachbereitet und stehen in enger Passung zum Unterricht und dessen Zielen. Sie sind gut als Grundlage für Beratungsgespräche mit Eltern und Schülern geeignet.


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